Die Inflation aus spiritueller Sicht
Geld ist nicht nur ein Tauschmittel. Es ist auch ein Bewertungsmittel. Ebenso wie meine verbale und nonverbale Kommunikation Tausch- und Bewertungsmittel zugleich ist. Denn mit meinen Worten und Taten kann ich meinem Gegenüber meine Wertschätzung zeigen.
Stellen wir uns einmal zwei Menschen vor, die sich gegenseitig eine etwa gleich hohe Wertschätzung entgegenbringen. Sie tauschen Worte aus, sie tauschen Gefälligkeiten aus, alles ist im Lot. Eines Tages jedoch passiert Folgendes: Person A wird langsam und unmerklich diejenige, die mehr gibt, als sie von Person B zurückbekommt. Ob es sich dabei um Gefälligkeiten handelt, um emotionale Zuwendung oder um Aufmerksamkeit, spielt keine Rolle. Person A merkt, dass ihr Person B nicht mehr die gleiche Wertschätzung entgegenbringt wie sie selbst es gegenüber Person B tut. Person A hat zunehmend das Gefühl, dass ihr Person B etwas schuldig bleibt. Und von Begegnung zu Begegnung steigert sich dieses Gefühl. Person A wird nach und nach zum Gläubiger, während Person B zum Schuldner wird. Vielleicht hat Person A schon einige Male Person B auf dieses Missverhältnis hingewiesen und diese hat es ignoriert. Vielleicht hat Person A aber auch geschwiegen in der Hoffnung, Person B würde von sich aus das Missverhältnis ausgleichen. Wie auch immer: irgendwann kommt es zur Eskalation, zum Point of no Return. Person A weiß, dass sie von Person B nichts mehr zu erwarten hat und fühlt sich betrogen. Sie verliert gänzlich das Vertrauen in die Worte, also die Tauschmittel, von Person B. Alle Worte von Person B sind in den Augen von Person A wie leere (Zahlungs-)Versprechungen. Sie sind keinen Pfifferling wert. Person A entzieht Person B die Wertschätzung. Eine Inflation.
Vertauschen wir einmal die Rolle des Sündenbockes in obigem Beispiel:
Menschen lieben es, wenn sie etwas geben können, da sie dann in ihrer Wertschätzung steigen. Wenn ich viel zu geben habe, werde ich hoch geschätzt. Person A gibt also in diesem zweiten Beispiel freiwillig mehr, als sie zurückbekommt. Mehr noch – sie verhindert auf geschickte Art und Weise, dass sie etwas zurückbekommt, da dann die Schuldgefühle bei Person B ins Unermessliche wachsen. Person A spielt also den gönnerhaften Geber (vergleichbar einem Geldverleiher) und benutzt die Schuldgefühle von Person B, um sie zu manipulieren (Geld ist Macht). Warum tut Person A dies? Um irgendwann von Person B mehr zurückfordern zu können, als sie ihr je gegeben hat. Doch irgendwann durchschaut Person B dieses Spiel und entzieht Person A ihre Wertschätzung und ihr Vertrauen, und jede Beteuerung von Person A, sie hätte es doch nur gut gemeint, ist für Person B nur leeres Geschwätz. Eine Inflation.
Es ist eine Binsenweisheit: Geld ist ein Zahlungsversprechen und funktioniert nur so lange, wie man ihm vertraut. Auch in dieser Hinsicht hat der geistig-emotionale Austausch zwischen Menschen etwas mit dem monetären Austausch gemeinsam. Je mehr die beiden Geschäfts- bzw. Kommunikationspartner einander vertrauen können, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Austausch von Währungen bzw. Worten auch in Zukunft funktioniert. Eine Person, die ihren Versprechungen keine Taten folgen lässt, ist wie ein Käufer, der heute eine Ware mit einem 100-Euro-Schein bezahlt, obwohl er weiß, dass der Verkäufer für diesen Schein morgen keinen Pfifferling mehr bekommt. Demgegenüber ist eine harte Währung vergleichbar mit dem Ehrenwort. Ein Begriff, der heute selten geworden ist. Vielleicht sollten wir nicht an einem neuen Geldsystem arbeiten, sondern an unseren gesellschaftlichen Wertmaßstäben.